Weshalb die Kosten in den Schulen ständig steigen
- andreadibiase
- 20. Okt. 2024
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Dez. 2024
In Pfäffikon, wie in vielen anderen Schweizer Gemeinden, stehen wir vor der Herausforderung, eine hochwertige Bildung anzubieten und gleichzeitig die Kosten im Blick zu behalten. In diesem Blogbeitrag möchte ich einen objektiven Überblick über die Faktoren geben, die die steigenden Kosten in unserem Bildungssystem verursachen.
Es ist wichtig zu betonen, dass ein Grossteil der Kosten im Bildungswesen gebunden ist (d.h. die finanziellen Mittel sind für bestimmte Zwecke festgelegt und nicht frei verfügbar). Nach Angaben des Bundesamts für Statistik machten im Jahr 2022 die Personalkosten etwa 70% der gesamten Bildungsausgaben aus. Weitere 20% entfielen auf Infrastrukturkosten. Die restlichen 10% verteilten sich auf verschiedene andere Ausgaben, einschliesslich gesetzlich vorgeschriebener Leistungen.
Entgegen der oft in den Medien vermuteten Annahme sind die Lehrerlöhne nicht das Hauptproblem der steigenden Bildungskosten. Tatsächlich sind die Löhne im Bildungssektor in den letzten Jahren nur moderat gestiegen, im Durchschnitt um etwa 1-2% pro Jahr. Vielmehr sind es die im Folgenden genannten Faktoren, die in ihrer Gesamtheit zu den steigenden Ausgaben im Bildungsbereich beitragen.
Kostentreiber im Überblick
1. Personalkosten
Personalkosten machen den grössten Teil des Schulbudgets aus. Dies ist eine grundlegende Eigenschaft des Bildungswesens: Schulen sind per se personalintensive Einrichtungen, da der Kern ihrer Arbeit - das Lehren und Lernen - auf direkter menschlicher Interaktion basiert. Anders als in vielen anderen Bereichen lässt sich dieser menschliche Faktor nicht durch Technologie ersetzen, ohne die Qualität der Bildung zu beeinträchtigen.
Die Personalkosten umfassen nicht nur die Gehälter der Lehrpersonen, sondern auch die Kosten für Schulleitung, Verwaltungspersonal, Schulpsychologen, Sozialarbeiter und weiteres Unterstützungspersonal. All diese Rollen sind essentiell für den reibungslosen Betrieb einer Schule und die umfassende Betreuung der Schülerinnen und Schüler.
Die Personalkosten sind nicht nur wegen der Gehälter ein bedeutender Faktor, sondern auch aufgrund der steigenden Anforderungen an das Bildungspersonal. Lehrpersonen müssen sich kontinuierlich weiterbilden, um mit neuen pädagogischen Konzepten und technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Zudem erfordern die zunehmende Heterogenität der Schülerschaft und die Individualisierung des Unterrichts oft mehr Personal oder kleinere Klassengrössen. Diese Entwicklungen verstärken den personalintensiven Charakter des Schulbetriebs zusätzlich.
2. Infrastruktur
Die Infrastruktur bildet das Rückgrat des Bildungssystems und stellt einen erheblichen und kontinuierlichen Kostenfaktor für Gemeinden dar. Diese Kosten umfassen weit mehr als nur die Instandhaltung bestehender Gebäude; sie beinhalten auch Modernisierung, Neubau, laufende Betriebskosten und Anpassungen an sich wandelnde pädagogische und gesellschaftliche Anforderungen.
Bestehende Schulgebäude erfordern regelmässige Wartung und Reparaturen, um sie in einem guten Zustand zu erhalten. Mit zunehmendem Alter der Gebäude steigen in der Regel auch die Instandhaltungskosten. Energetische Sanierungen sind ein wichtiger Aspekt moderner Schulinfrastruktur. Obwohl diese Investitionen kurzfristig hoch sind, können sie langfristig zu erheblichen Einsparungen bei den Betriebskosten führen.
Moderne pädagogische Konzepte erfordern flexible Raumstrukturen, die sowohl Gruppenarbeit als auch individuelles Lernen ermöglichen. Die Digitalisierung des Unterrichts erfordert zudem eine robuste technische Infrastruktur, einschliesslich leistungsfähiger Netzwerke und WLAN-Abdeckung. Die Schaffung barrierefreier Zugänge und die Einhaltung von Sicherheitsstandards sind weitere wichtige Aspekte, die oft ebenfalls bauliche Massnahmen erfordern.

3. Digitalisierung
Die Integration von Technologie in den Unterricht erfordert Investitionen in Hardware, Software, Netzwerkinfrastruktur und die entsprechende Fortbildung der Lehrkräfte. Die Digitalisierung hat unsere Schulen grundlegend verändert. Smartboards, Tablets und Lernplattformen sind heute in vielen Klassenzimmern alltäglich.
Nach Schätzungen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) belaufen sich die Kosten für die Digitalisierung der Schulen auf etwa 300-500 CHF pro Schüler und Jahr. Dies umfasst nicht nur die Anschaffung von Hardware, sondern auch die laufenden Kosten für Software-Lizenzen und IT-Support. Diese Entwicklung bringt nicht nur Anschaffungskosten mit sich, sondern auch laufende Ausgaben für Wartung, Updates und technischen Support. Die Digitalisierung eröffnet zweifellos neue Möglichkeiten im Unterricht, stellt aber auch einen wesentlichen Kostentreiber im Bildungsbereich dar.
4. Inklusion und Fördermassnahmen
Die Integration von Schülern mit besonderen Bedürfnissen und die Bereitstellung von Fördermassnahmen für leistungsschwächere sowie besonders begabte Schüler:innen erfordern zusätzliche Ressourcen. Inklusion ist ein wichtiges bildungspolitisches Ziel, das jedoch mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Es wird zusätzliches, speziell ausgebildetes Personal benötigt, wie Heilpädagogen und Schulassistenten. Oft sind auch bauliche Massnahmen erforderlich, um Barrierefreiheit zu gewährleisten. Die Anpassung von Unterrichtsmaterialien und die Anschaffung spezieller Hilfsmittel für Schüler:innen mit besonderen Bedürfnissen tragen ebenfalls zu den Kosten bei. Gleichzeitig müssen Schulen Förderprogramme für besonders begabte Schüler:innen anbieten, um allen Schülern gerecht zu werden.
5. Sprachförderung
Angesichts der zunehmenden sprachlichen Vielfalt in den Klassenzimmern sind Investitionen in Sprachförderungsprogramme notwendig. Viele Kinder kommen mit geringen oder keinen Kenntnissen in der Unterrichtssprache in die Schule. Um ihnen einen erfolgreichen Bildungsweg zu ermöglichen, müssen Ressourcen in die Sprachförderung investiert werden.
Dies umfasst zusätzliche Sprachkurse, spezielle Förderprogramme und oft auch Einzelbetreuung. Zudem benötigen Schulen Lehrkräfte mit Kompetenzen im Bereich Deutsch als Zweitsprache.
6. Ganztagsbetreuung
Die steigende Nachfrage nach Ganztagsbetreuung führt zu zusätzlichen Kosten für Personal, Verpflegung und die Anpassung der Schulinfrastruktur. Ganztagsschulen erfordern nicht nur längere Anwesenheitszeiten des Personals, sondern auch die Einstellung zusätzlicher Betreuungskräfte für Nachmittagsaktivitäten.
Es müssen Mensen eingerichtet oder erweitert werden, und es wird Personal für die Essensausgabe und Küche benötigt. Zudem sind Fachkräfte für die Organisation und Koordination der Ganztagesangebote erforderlich. Die Bereitstellung von Mittagessen und Zwischenmahlzeiten verursacht laufende Kosten. Nicht zuletzt müssen pädagogische Konzepte für die Nachmittagsbetreuung entwickelt und umgesetzt werden.
7. Qualitätssicherung und -entwicklung
Massnahmen zur Sicherung und Verbesserung der Bildungsqualität - wie regelmässige Evaluationen, Schulentwicklungsprogramme und Lehrerfortbildungen - tragen ebenfalls zu den Gesamtkosten bei. In einer Zeit, in der Bildung als Schlüssel zum individuellen und gesellschaftlichen Erfolg gilt, steht die Qualität unserer Schulen zunehmend im Fokus.
Regelmässige externe und interne Evaluationen erfordern Zeit und Personal. Die Entwicklung und Umsetzung von Qualitätsmanagement-Systemen binden Ressourcen. Schulen investieren stark in die kontinuierliche Weiterbildung ihrer Lehrkräfte, um sie mit den neuesten pädagogischen Erkenntnissen und Methoden vertraut zu machen. Auch interessant: Die Teilnahme der Schweiz an nationalen und internationalen Vergleichsstudien - wie PISA - kostet jährlich etwa 500.000 CHF.
8. Unterrichtsmaterialien und Lehrmittel
Die Anschaffung und regelmässige Aktualisierung von Unterrichtsmaterialien und Lehrmitteln, sowohl in physischer als auch in digitaler Form, stellen einen kontinuierlichen Kostenfaktor dar. Mit dem raschen gesellschaftlichen und technologischen Wandel müssen Lehrmittel häufiger aktualisiert werden als früher.
Digitale Lehrmittel erfordern oft Lizenzen, die regelmässig erneuert werden müssen. Zudem benötigen Schulen eine breite Palette an Materialien, um den verschiedenen Lerntypen und -niveaus gerecht zu werden. Spezialisierte Lehrmittel für Fächer wie Naturwissenschaften oder Musik können besonders kostspielig sein. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ein Englischbuch kann bis zu CHF 90.00 kosten.
9. Schülertransporte
In der Gemeinde Pfäffikon stellt der Schülertransport ebenfalls einen Kostenfaktor dar. Aufgrund der geografischen Struktur der Gemeinde mit ihren verschiedenen Ortsteilen und der Lage der Schulstandorte ist ein gut organisiertes Transportsystem unerlässlich, um allen Schüler:innen den Zugang zur Bildung zu ermöglichen.
Die Schulverwaltung steht vor der Herausforderung, einen sicheren, zuverlässigen und kosteneffizienten Transportdienst anzubieten. Dies beinhaltet die regelmässige Überprüfung und Optimierung der Routen, um sowohl den Bedürfnissen der Schüler als auch den finanziellen Möglichkeiten der Gemeinde gerecht zu werden.
Fazit
Die Analyse der verschiedenen Kostentreiber im Bildungswesen zeigt deutlich, wie komplex und vielschichtig die finanzielle Situation unserer Schulen ist. Es wird ersichtlich, dass die steigenden Kosten nicht auf einzelne, leicht zu identifizierende Faktoren zurückzuführen sind, sondern das Ergebnis vielfältiger gesellschaftlicher, technologischer und pädagogischer Entwicklungen darstellen.
Angesichts dieser Komplexität wird klar, dass einfache Lösungen oder pauschale Kürzungen nicht zielführend sein können. Es reicht nicht aus, den Rotstift anzusetzen und einzelne Budgetposten zu streichen. Stattdessen benötigen wir eine grundlegende politische und gesellschaftliche Diskussion darüber, wie die Schule der Zukunft aussehen soll und welche Werte dabei eine zentrale Rolle spielen sollen.
Kernfragen dieser Debatte müssen sein:
Welche Bildungsziele verfolgen wir als Gesellschaft? Geht es primär um die Vermittlung von Fachwissen oder um die Entwicklung von Kompetenzen wie kritisches Denken, Kreativität und soziale Fähigkeiten?
Wie definieren wir Bildungsgerechtigkeit und wie viel sind wir bereit, dafür zu investieren?
Welche Rolle soll die Digitalisierung in unseren Schulen spielen und wie können wir sicherstellen, dass alle Schüler davon profitieren?
Wie können wir unsere Schulen zu Orten machen, die auf die Herausforderungen einer sich rasch wandelnden Welt vorbereiten?
Diese Diskussion muss auf einer breiten gesellschaftlichen Basis geführt werden und alle Stakeholder einbeziehen: Eltern, Lehrer, Schüler, Bildungsexperten, Politiker und die breite Öffentlichkeit. Nur durch einen solchen umfassenden Dialog können wir zu einem Konsens darüber gelangen, welche Investitionen in unser Bildungssystem wirklich notwendig und wertvoll sind.
Letztendlich geht es darum, ein Bildungssystem zu schaffen, das nicht nur finanziell tragbar ist, sondern auch unseren gesellschaftlichen Werten entspricht und unseren Kindern die bestmöglichen Chancen für die Zukunft bietet. Dies erfordert möglicherweise ein Umdenken in Bezug auf Prioritäten und Ressourcenverteilung, aber auch Kreativität und Innovation in der Art und Weise, wie wir Bildung gestalten und finanzieren.
Die Herausforderung besteht darin, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen finanzieller Verantwortung und pädagogischer Exzellenz zu finden. Dies ist keine leichte Aufgabe, aber eine, der wir uns im Interesse unserer Kinder und der Zukunft unserer Gesellschaft stellen müssen.
Quellen:
Bundesamt für Statistik
Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK)
Schweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik (SZH)
Schweizerische Koordinationsstelle für Baurationalisierung (CRB)
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